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 Das Kanban-Prinzip im Vergleich zur traditionellen Materialbedarfsplanung

Bei der traditionellen Bedarfsplanung werden die Produktionsmengen und -termine in Abhängigkeit vom aktuellen Kunden- oder Planprimärbedarf auf Enderzeugnisebene berechnet und die Einsatzmengen und Bereitstellungstermine der Komponenten über die Stücklistenauflösung ermittelt. Die Produktionsmengen können für unterschiedliche Bedarfe zu Losen zusammengefaßt werden. Die Losgrößenbildung orientiert sich am gewählten Losgrößenverfahren. Pro Fertigungsstufe werden Lose meistens komplett hergestellt, bevor sie in einer folgenden Fertigungsstufe weiterverwendet werden. Die in der Bedarfsplanung ermittelten Termine sind Grundlage einer Feinplanung für die aktuelle Fertigungsstufe, auch wenn zum Zeitpunkt der Planung oft nicht bekannt ist, wann genau das Material für die nächstfolgende Fertigungsstufe benötigt wird. Das Material wird aufgrund dieser Termine durch die Produktion geschoben (PUSH-PRINZIP). Häufig ergeben sich dadurch Wartezeiten bis zum Beginn der Fertigung bzw. bis zur Weiterverarbeitung. Diese Wartezeiten gehen schließlich als erhöhte Durchlauf- oder Sicherheitszeiten in die Planung ein und werden selten unterboten. Das Resultat können hohe Materialbestände und lange Durchlaufzeiten in der Produktion sein.

Beim Einsatz von Kanban wird das Material nicht mittels einer übergeordneten Planung durch die Produktion geschoben, sondern dann durch die folgende Fertigungsstufe (Verbraucher) von der vorhergehenden Fertigungsstufe (Quelle) abgerufen, wenn es gebraucht wird (PULL-PRINZIP). Dazu wird zwischen Quelle und Verbraucher ein Regelkreis mit einer festgelegten Anzahl von Kanbans angelegt. Jeder Kanban steht für eine bestimmte Materialmenge und kann einem Behälter entsprechen, dies ist jedoch nicht zwingend. Wenn die zu einem Kanban gehörende Materialmenge verbraucht ist, wird der Kanban mit dem Status "leer" versehen und die Karte zur Quelle geschickt, die dann dieses Material in der vorgeschriebenen Menge produziert und an den Verbraucher liefert. Der Verbraucher quittiert den Erhalt des Materials, indem der Status wieder auf "voll" gesetzt wird. So wird durch die Kanban quasi die Losgröße festgelegt, die von der Quelle auf einmal produziert wird. Die gesamte Produktionsmenge ergibt sich aus der Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum zur Quelle geschickten Kanbans. Die Wiederbeschaffungsfrequenz orientiert sich am tatsächlichen Verbrauch. Das heißt: Wird mehr Material benötigt, so zirkulieren die Kanbans zwischen Quelle und Verbraucher schneller; ist der Materialbedarf geringer, so zirkulieren die Kanbans langsamer. Wird eine Zeit lang gar kein Material benötigt, so befinden sich alle Kanbans mit dem Material beim Verbraucher, der damit die Komponenten sofort zur Verfügung hat, wenn er mit der Produktion der entsprechenden Baugruppen beginnen will. Es befindet sich nie mehr Material im Umlauf, als die mit dem Regelkreis festgelegte Anzahl von Kanbans, und auf jeder mit Kanban versorgten Produktionsstufe kann zu jedem Zeitpunkt mit der Produktion begonnen werden.